Narrative der praktischen Data Science – Projekte, Methoden und Prozesse

Der vorliegende Sammelband stellt eine liebevoll kuratierte Sammlung unterschiedlichster Themen der Data Science, vornehmlich in ihrer praktischen Ausprägung und Anwendung dar. Die erhebliche Spannweite der vorgelegten Domänen – vom Predictive Policing über die Erklärbarkeit von Systemen künstlicher Intelligenz, zu Datenqualität und linguistischen Fragestellungen bis hin zum Prompt Engineering in den Schönen Künsten – spiegelt das breit gefächerte Wissen und die Expertise der Autor:innen, aber auch die Weltoffenheit aller Beteiligter, die vor allem aus dem Kreis der Vortragenden der Veranstaltungsreihe „Data Science Darmstadt“ stammen, wider.

Wer die Wahl hat… Zum Einstieg in den Sammelband sei daher die vorangestellte Zusammenfassung der Artikel „Die Autoren und ihre Beiträge“ empfohlen, die in gut lesbarer Form die Inhalte präsentiert, teilweise auf Verschränkungen der Beiträge hinweist und so eine gezielte Entscheidung ermöglicht, an welchem Punkt die Lesenden ihre Reise ins Buch starten möchten. Zugegebenermaßen von der eigenen Passion voreingenommen, fiel die Wahl zunächst auf die beiden Beiträge von Vladimir Alexeev „Am Anfang war der Prompt. Die Wege zur Kreativität der Maschine“ sowie Christophe Krech „Erklärbarkeit als Schlüssel für den verantwortungsvollen Umgang mit KI“.

Die Probe aufs Exempel… Während der spätestens seit November 2022 mit dem Launch von ChatGPT aufgekommene Hype um künstliche Intelligenz eine breite Öffentlichkeit auf KI-Systeme aufmerksam gemacht hat, sind die umherschwirrenden Begrifflichkeiten bisher weder oberflächlich gefestigt noch finden sie in den unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen einheitliche Verwendung. Neben der „Intelligenz“ zählt hierzu sicher auch der Begriff der „Kreativität“, den Vladimir Alexeev zu Beginn seines Artikels aufschlüsselt. Mit der Leserschaft wandert der Kulturwissenschaftler durch die Entwicklung der Transformer-Modelle und das Prompt Design und reichert seinen Beitrag mit vielen, erstaunlichen Beispielen im Schwerpunkt von Bildgenerierung an. Erwartet führen gleiche Prompts bei unterschiedlichen Modellen zu verschiedenartigen Ergebnissen, jedoch kann eine Prompt-Strategie bei demselben Modell zu einer eindrucksvollen, gleichbleibenden Beständigkeit der Antworten führen, also durchaus eine gewisse Berechenbarkeit der kreativen Blackbox bereithalten. Tröstlich liegt gemäß dem Autor das künftige Arbeitsfeld zur Generierung exzellenter Outputs nicht vornehmlich in der Verbesserung der Modelle oder in einem Entweder-Oder von KI-Systemen und menschlichen Fähigkeiten, sondern in der Optimierung der Mensch-Maschine-Interaktion, also der Zusammenarbeit beider.

Mit dem Latein am Ende… Wenn das KI-System allerdings ein Ergebnis liefert, das aufgrund sog. Blackbox-Eigenschaften für den Menschen nicht erklärbar ist, ist es in vielen Fällen, so z. B. von Entscheidungen seitens der öffentlichen Verwaltung, nicht einsetzbar. Nun weisen verschiedene Modelle zwar unterschiedliche Grade an Interpretierbarkeit und Erklärbarkeit auf, jedoch sind jene mit der besten Vorhersagekraft im Regelfall am schlechtesten nachvollziehbar. Die Komplexität erhöhend, steht wiederum der Mensch und sein Vertrauen in und die Akzeptanz von algorithmischen Systemen im Mittelpunkt. Der Wirtschaftsmathematiker und Data Scientist Christophe Krech widmet sich der Fragestellung in dem umfangreichen, anspruchsvollen Beitrag aus seinem Erfahrungsschatz in der Kreditwirtschaft heraus. Er nähert sich von der derzeitigen Regulatorik über die in der Finanzindustrie gebräuchlichen Scorecards hin zu den beiden populären Erklärbarkeitsansätzen LIME und SHAP mit anschaulichen Beispielen und für den Laien auf sehr anspruchsvollem Niveau. KI-Systeme bedürfen im Einzelfall eine jeweils angemessene Form der Transparenz, Erklärbarkeit und Nachvollziehbarkeit, die sich insbesondere im Hinblick auf die jeweiligen Anspruchsgruppen messen lassen muss und zu denen auch intrinsische Verfahren gehören können. Ein breites Feld wissenschaftlicher Forschung eröffnet sich hier und der Autor betont abschließend die Notwendigkeit seiner Umsetzung in die Praxis.  

Für das Ende ein neuer Anfang… Zusammenfassend eröffnet der Herausgeberband eine Sammlung aktueller, gut lesbarer und verständlicher Texte in lebendiger Sprache mit narrativen Momenten und persönlichen Anklängen der Autor:innen. Er setzt dabei auf einem jederzeit hohen Niveau auf, das wiederum auf Engagement und großem Sachverstand der Beteiligten basiert. Die aufschlussreichen Textbeiträge eröffnen nicht nur neue Horizonte, sondern laden dabei zum Nach- und Weiterdenken ein. Mittelmäßige Erzählungen kann heute schließlich bereits ein KI-System schreiben, richtig gute Geschichten schreiben heute eben (immer noch) die Menschen.

Tabea Hein

(Academic Lecturer IU | AI4Gov Mentorin | zertifizierte CDO und KI-Managerin)